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Zur Beschreibung der Bedeutung des Nabels zunächst ein Ausflug in seine ursprüngliche Aufgabe und seine Entstehung. Der Fötus im Mutterleib zeigt sehr früh ein eigenständiges, selbst regulierendes Verhalten. Es dient u.a. der Erforschung seines Körpers und seiner Umgebung. Die Sprache des Körpers, insbesondere Mimik und Gestik weisen auf Bedürfnisse, Interessen, Begabungen, Lernprozesse und Gefühle, auf gute und schlechte Träume. Ab der 10. Woche sind alle komplexen Bewegungen, z.B. das aktive Drehen in der Gebärmutter, die Zuwendung auf liebevolle Berührung des Bauches oder heftiges Treten gegen die Bauchwand bei unangenehmen Geräuschen oder Belästigung durch Ultraschalluntersuchungen oder gar Fruchtwasserpunktionen zu beobachten. Zwillinge wurden dabei beobachtet, wie sie sich gegenseitig wecken oder durch die Eihülle hindurch Küssen, das mit einer entsprechenden als Lächeln gedeuteten Mimik beantwortet wird (bei D.Chamberlain in: seelisches Erleben vor und nach der Geburt, Hrsg: L.Janus, S.Haibach).
Gleichzeitig ist der Fötus „über die physiologischen Äquivalente von Emotionen wie hormonelle Veränderungen im Blut, der Qualität der Sauerstoffzufuhr, Veränderungen der Herzfrequenz etc. quasi an die Gefühlswelt der Mutter angeschlossen“ beschreibt das Institut für Persönlichkeitsentwicklung und Psychotherapie. Das Gleiche gilt für die Verbindung mit dem mütterlichen Stoffwechsel und das Immunsystem.
Die Nabelschnur ist dabei die einzige direkte Verbindung des entstehenden Individuums mit seiner ihn nährenden und beschützenden aber oft auch belastenden Umwelt. Fötus und Mutter essen, trinken, rauchen, nehmen Medizin, erleben Freude, Trauer, Ärger, Aufregung und auch jeden Stress gemeinsam. Über die Nabelschnur besteht eine körperlich- seelische Einheit zwischen dem entstehenden Kind und seiner Mutter bzw. dem Leben. Der kindliche Nabel erfährt die mütterliche Reaktion auf das Leben über die Zusammensetzung des Nabelbluts, einschließlich Sauerstoff- und Kohlendioxidgehalt sowie pH-Wert des Blutes, über den Rhythmus des Herzschlages und den Blutdruck. Über die Nabelgefäße werden alle Nährstoffe, aber auch Stresshormone wie Cortisol dem kindlichen Organismus zugeführt und alle Stoffwechselschlacken entsorgt. Mütterliche Stresshormone, genauso wie therapeutisch zugeführtes Cortison, erhöhen dabei im Kind nicht nur das Risiko für die typischen stressbedingten Erkrankungen sondern bewirken auch eine Störung der Gehirnreifung mit erhöhtem Risiko von Intelligenz- und Konzentrationsstörungen sowie späteren Depressionen (bei Katrin Neubauer). Umgekehrt leiden Kinder, deren Mütter einer stressbedingten Nebenniereninsuffiziens mit Erschöpfung der Hormone, wie Cortisol ausgesetzt waren, nach der Geburt ebenfalls unter einer Schwäche der Nebennieren und sind stressanfälliger.
Parallel zu der Informationsflut über die Nabelgefäße erlebt der Nabel über die zahlreichen freien Nervenendigungen und Rezeptoren des sympathischen Nervensystems in der Nabelfaszie die entsprechende Reaktion des mütterlichen und fötalen vegetativen Nerven- und- Fasziensystems. Das sich entwickelnde fötale Fasziensystem nimmt die physiologische Steuerungsfähigkeit des mütterlichen, vegetativen Nervensystems zwischen Stress- und Entspannungszustand genauso wahr wie eine Fixierung des mütterlichen Organismus im Sympathikotonus, mit der damit verbundenen Reaktion des mütterlichen und kindlichen Fasziensystemes. Die Nabelfaszie beteiligt sich aber auch aktiv an der Regulation der Informationszufuhr. Dabei zeigt sich die Verbindung von Gedanken und Emotionen mit dem Fasziensystem z.B. daran, das bereits der Gedanke der Mutter an Nikotin zu einer Verengung der Nabelschnur führen kann. Auch zeigen Ultraschalluntersuchungen, das Foeten nicht nur sehr oft mit ihrer Nabelschnur spielen, sondern diese gelegentlich auch aktiv zusammendrücken.
Nabel und Fasziensystem erleben unter aktiver Mitbeteiligung die individuelle Entwicklung von Stressreaktionen, Schmerz, Furcht, Trauer, aggressivem Verhalten, aber auch Freude, Zuneigung, Lernen, Erinnerung, Vorlieben und aktiver Kommunikation mit der Umwelt. Das so genannte Zellgedächtnis bzw. das Schwingungsmuster der Nabelfaszie speichert möglicherweise, wie andere Narben auch, Emotionen sowie die dazugehörigen und andere Erfahrungen des vegetativen und faszialen Systems, also auch den Umgang mit Stress. Der Nabel würde dann sowohl die traumatischen Erfahrungen als auch die Essenz des gesamten fötalen Individuationsprozesses und des Entbindungsprozesses speichern. Die Entstehung des Nabels nach Durchtrennung der Nabelschnur steht somit als Urnarbe in Bezug zur Entstehung des selbstständigen Menschen und seine Trennung von der direkten Verbindung mit der Mutter bzw. dem Leben.
Der Basler Psychiater Peter Schindler, Präsident der Internationalen Studiengemeinschaft für Prä- und Perinatale Psychologie und Medizin Schweiz beschreibt die Geburt als das vielleicht prägendste psychische Erlebnis überhaupt. Klaus Käppeli, Körperpsychotherapeut in St. Gallen, erklärt dies u.a. auch auf Grund der Erfahrung des Übergangs vom maximalen Stresszustandes in einen Entspannungszustand.
M.E.ist es auch die Bewältigung des Überganges von der Einheit und Geborgenheit durch ein Stadium der größten Enge, Angst und Verzweiflung in einen Zustand der selbstständig, lebensfähigen Getrenntheit und relativen Selbstständigkeit der die Geburt zu den grundlegenden, formenden Erlebnissen der menschlichen Entwicklung macht.

Ein Erlebnis das im positiven Fall ein Urvertrauen in das Leben unterstützen könnte, sowohl auf der seelischen aber auch auf den muskulären, faszialen, vegetativen, hormonellen und zentralnervösen Ebenen.
Im negativen Fall jedoch kann eine komplizierte Entbindung eine anhaltende Belastung des Säuglings bedingen. Der kindliche Organismus kann über lange Zeit im Stressmodus verbleiben mit den entsprechenden Reaktionen auf allen Ebenen. Entsprechend häufig zeigen sich dann Beckenverwringungen, ISG – und Atlasfehlstellungen mit den dadurch initiierten Folgen die uns schlimmstenfalls ein Leben lang begleiten können. Bei einer Periduralanästhesie oder Vollnarkose der Mutter wird das Urvertrauen zusätzlich dadurch erschüttert, dass der Fötus die eigene extreme Stressreaktion verschieden von der mütterlichen Reaktion erlebt. Bei einem Kaiserschnitt oder einer vorzeitigen Entbindung fehlt auch oft die durch den Einsatz der Wehen signalisierte Bereitschaft des Fötus zum Start in das neue Leben. Die als drohende Erstickung erlebte zu frühe Durchtrennung der noch pulsierenden Nabelschnur, die ungewohnt helle und oft stressbesetzte Umgebung und die häufige Trennung von der Mutter, v. a. bei Frühgeborenen sind weitere, oft vermeidbare Stressfaktoren für den sensiblen Organismus des Neugeborenen. Alle diese Traumata hinterlassen möglicherweise ihre Spuren im Nabel und wirken sich vielleicht ein Leben lang von dort als stressinduzierender Urstörherd auf die gesamte Körper- Seele- Geist Einheit des neuen Menschen aus.
Die Durchtrennung der Nabelschnur mit ihren Gefäßen, Nerven und Faszien wird auf diese Weise bei dem unvorstellbar komplexen Prozess der Menschwerdung zur ersten und erfahrungsreichsten Narbe.